Sprechstörungen bei Kindern

Schiffchen. Foto: Mary Cronos

„Wenn Anna spricht, steckt sie beim ‚s‘ immer die Zunge zwischen die Zähne und verwandelt auch das ‚sch‘ zu diesem ‚s‘“

„Unser Sohn Tom hat eine besondere Sprache: Er sagt statt ‚Regenbogen immer Ledenboden‘ oder statt ‚Kindergarten immer Tinderdarten‘. Jeden Morgen begrüßt er die Erzieherin Katharina mit: ‚Duten Tat, Tatalina‘. Das klingt zwar sehr lustig, aber oft verstehen wir nicht, was er sagen möchte. Das macht ihn oft wütend oder auch traurig. Er will dann gar nichts mehr sagen.“

Bei Kindern gibt es sehr verschiedene Sprechstörungen, die sich in zwei Gruppen unterteilen lassen: 1. Störungen in der Bildung von Lauten (Artikulationsstörungen, verbale Entwicklungsdyspraxie) und 2. Redeflussstörungen (Stottern/Poltern).

Artikulationsstörungen und verbale Entwicklungsdyspraxien treten im Verlauf der vorschulischen kindlichen Entwicklung auf. Es ist wichtig, diese Störungen rechtzeitig zu erkennen und diese vor der Einschulung zu überwinden, damit sie das Lesen- und Schreiben Lernen nicht beeinträchtigen.

Artikulationsstörungen (Dyslalie)

Von einer Artikulationsstörung spricht man, wenn Laute fehlerhaft  gebildet werden oder diese durch andere Laute ersetzt werden. Hier können grundsätzlich alle Laute oder Lautkombinationen und sowohl einzelne, wie auch mehrere Laute betroffen sein. Die bekannteste Form der Artikulationsstörungen ist das „Lispeln“ (Sigmatismus), bei dem die Zunge bei der Bildung des Lautes /s/ bzw. /z/ zwischen die Zähne rutscht. Manchmal ist gleichzeitig eine schlaffe Mundmuskulatur zu beobachten.

Verbale Entwicklungsdyspraxie

„Nico ist schon 3½ Jahre alt, aber er spricht nur sehr wenig. Wenn wir ihm etwas vorsprechen, das er nachsprechen soll, gelingt ihm das überhaupt nicht. Manchmal versucht er die Lippen zu formen, aber meistens gibt er schnell auf. Er zeigt lieber oder holt sich die Dinge, die er haben möchte. Mittlerweile verweigert er oft das Sprechen, wenn er merkt, dass er etwas sagen soll.“

Ein Kind mit einer „verbalen Entwicklungsdyspraxie“ sehr genau was es sagen möchte, kann jedoch aufgrund der eingeschränkten Fähigkeit die motorischen Mund- und Zungenbewegungen zu planen, diese dann auch nicht korrekt ausführen.  Beobachten kann man häufig, dass diese Kinder sich beim Sprechen häufig sehr anstrengen. Sie machen „Suchbewegungen“ mit der Zunge und den Lippen, um die richtige Stellung für die entsprechenden Laute oder Wörter finden zu können.

Auffälligkeiten findet man im Bereich der Aussprache; Laute werden fehlerhaft gebildet oder durch andere ersetzt wodurch die Sprache oft undeutlich klingt und schwer verständlich ist. Darüber hinaus können weitere Symptome auftreten:

sog. „Quatschwörter“ können nicht oder meist nur falsch nachgesprochen werden. Die Laute werden in ihrer Reihenfolge vertauscht, Veränderungen in der Sprechmelodie und unangemessene Betonungsmuster können auftreten, Defizite in der Wahrnehmung im Mundbereich führen zu Problemen im Saug-, Schluck- und Atemrhythmus. Diese Kinder bevorzugen dehalb auch häufig weiche und breiige Nahrungsmittel. Mit der Therapie sollte so früh wie möglich begonnen und diese sollte über einen längeren Zeitraum mehrmals wöchentlich stattfinden.

Stottern

„Als unsere Tochter Lena im Alter von 4 Jahren plötzlich anfing die Wörter mehrmals hintereinander zu sagen, sind wir richtig erschrocken. Beim schnellen Sprechen kam sie richtig ins Stolpern. Da hatten wir das Gefühl, sie wolle alles auf einmal sagen. Wir waren sehr unsicher was das bedeutet und wussten nicht, wie wir damit umgehen sollten.“

Als Stottern bezeichnet man einen stockenden Redeflusses. Dehnungen, Blockierungen und Wiederholungen von Lauten, Silben oder einsilbigen Wörtern können vorkommen. Oft treten beim Stottern Begleitsymptome auf. Diese können sich u.a. in körperlicher Anspannung, Mitbewegungen von Körperteilen, Vermeiden von gefürchteten Wörtern oder Sprechangst zeigen.

Stottern äußert sich in Form von unfreiwilligen Wiederholungen von Lauten und Silben („wawawawawarum?“) sowie als Dehnungen („Mmmmmarmelade“) oder Blockierungen von Lauten (stummes Verharren vor oder in einem Wort: „—Kaffee, be—-troffen“). Stotternde Kinder verlieren für einen Moment die Kontrolle über den Sprechablauf, obwohl sie genau wissen, was sie in diesem Moment sagen wollen. Sprechangst, Wut oder Trauer über das Versagen beim Sprechen, Selbstabwertung, Scham und Hilflosigkeit können sich als psychische Reaktionen zeigen. Selbst wenn die Kernsymptomatik gering ist, kann die Lebensqualität hierdurch stark beeinträchtigt sein.

Es ist wichtig, stotternde Kinder möglichst früh (ab dem 2./3. Lebensjahr) zu erkennen und bei Bedarf zu behandeln, damit eine Rückbildung unterstützt werden kann. Eine besondere Bedeutung kommt der Aufklärung der Eltern zu. Eltern sind häufig sehr verunsichert und wissen nicht, wie angemessen mit Ihrem Kind umgehen können. Eine Elternberatung kann die Ängste bei den Eltern abbauen und ihnen einen selbstbewussten Umgang mit Ihrem Kind ermöglichen.

Poltern

Poltern ist eine Störung des Redeflusses bei dem schnelles, unrhythmisches und undeutliches Sprechen auftreten. Zusätzlich bestehen oft Formulierungsschwierigkeiten. Im Gegensatz zum Stottern verbessert sich die Symptomatik bei Konzentration und langsamerem Sprechtempo.

Bei Poltern ist die Verständlichkeit des Gesprochenen durch ein phasenweise überhöhtes Sprechtempo beeinträchtigt. Auslassungen und Verschmelzungen von Lauten, Silben oder Wörtern („zum Beispiel“ wird „Zeispiel“) kommen vor. Außerdem treten Satzabbrüche, Umformulierungen und Floskeln sowie Redeunflüssigkeiten auf, die dem Stottern ähnlich sind. Polternde Menschen können meist das eigene Sprechen schlecht beobachten – die Störung ist ihnen häufig nicht oder nur ansatzweise bewusst, sodass sie in der Regel auch wenig Leidensdruck empfinden. Stottern und Poltern können auch zusammen auftreten.

Polternde Kinder können in einer Therapie beispielsweise lernen, in den für sie wichtigen Sprechsituationen das Poltern zu kontrollieren.